Teil 1: Vertreibung

Vor Beginn des Jugoslawienkrieges 1941 wurden vier führende Persönlichkeiten der Ortsgruppe des Schwäbisch-Deutschen Kulturbundes von den jugoslawischen Behörden als Geiseln in die Festung Peterwardein verschleppt; in anderen Orten vergleichbarer Größe lag die Zahl der Geiseln meist höher.

Zur Entwaffnung jugoslawischer Soldaten durch die aufgestellte Bürgerwehr kam es nicht. Das ungarische Militär konnte den Ort kampflos besetzen. Einige junge Burschen verließen im Herbst 1940 aus Begeisterung für das deutsche Soldatentum heimlich den Ort und stellten sich den deutschen Stellen in Belgrad zur Verfügung. Die Waffen-SS-Aktionen der Jahre 1942, 1943 und 1944 führten zu beachtlichen Gegensätzen und einigen Ausschreitungen zwischen der Gruppe derer, die der Aktion Folge leisteten und der Gruppe jener, die sich ihr entzogen. Der Krieg säte also Zwietracht in das bislang friedliche Dorfleben. Die Zahl der Filipowaer Burschen und Männer, die im Zweiten Weltkrieg beim ungarischen und deutschen Militär Dienst taten, dürfte mit 900 angenommen werden. Von ihnen sind 165 gefallen, im Lazarett oder in der Gefangenschaft gestorben, während 67 als vermisst gelten. Der militärische Einsatz forderte insgesamt 232 Opfer. Von den gefallenen oder im Lazarett verstorbenen Soldaten haben nur zehn auf dem Gebiete des heutigen Jugoslawien ihre letzte Ruhestätte gefunden, während in Russland, Finnland, Rumänien und Ungarn 107 begraben sind.

Als es in der Batschka zu gelegentlicher kleiner Partisanentätigkeit kam, die vornehmlich in Brandanschlägen auf Hanftristen und Hanfaufbereitungsbetrieben bestand, wurde auch in Filipowa eine Flurwache eingerichtet, die nachts Patrouillengänge im Hotterbereich zu unternehmen hatte. Es fand aber keine Konfrontation mit Partisanen statt. Diese unternahmen lediglich im Jahre 1943 einen nächtlichen Überfall auf die Eisenbahnstation, die am Rande des Ortes lag. Personen kamen dabei nicht zu Schaden.

Als die Angriffskeile der Roten Armee am 4. Oktober 1944 über die Theiß vorstießen, erließ die Gebietsführung des Volksbundes Aufrufe zur Flucht. Der "Kleinrichter" trommelte den Aufruf noch am selben Tage aus. Es konnten sich indes bloß 115 Familien bzw. 510 Personen zum Verlassen ihrer Heimat entschließen. Mit 10 Prozent der Einwohnerschaft entfällt auf Filipowa die geringste Fluchtrate des Bezirkes Hodschag. Die Evakuierungswilligen verließen zwischen 12. und 15. Oktober mit etwa 100 Pferdefuhrwerken und einigen Zugmaschinen den Ort.

Ihr Fluchtweg führte zunächst bis Baja. Hier setzte man über die Donau und erreichte über Fünfkirchen schließlich den Plattensee. Der weitere Weg führte über Ödenburg nach Wiener Neustadt. Hier trennten sich die Wege der Flüchtigen. Ein Teil gelangte über St. Pölten, Brünn und Zwittau nach Hohenstadt und von da per Eisenbahn samt Fuhrwerken bis Breslau. Auch die andere Gruppe gelangte vom mährischen Nikolsburg per Eisenbahn bis Anfang Dezember 1944 nach Breslau, um hier verteilt zu werden. Sie alle traten Anfang Januar 1945 von neuem die Flucht vor der herannahenden Front an. Viele erlebten das Kriegsende im Egerland. Ein Teil der Filipowaer wurde von den Amerikanern den Russen, und von diesen den Tschechen überstellt, die sie bis Herbst 1946 als Zwangsarbeiter in der Landwirtschaft einsetzten, bevor man sie nach Bayern oder Sachsen abschob.

Von den Einwohnern Filipowas dürften sich Mitte Oktober etwa 3800 Personen im Ort selbst aufgehalten haben. Da Filipowa an keiner befestigten Straße lag, zogen weder zu

rückgehende deutsche Einheiten noch vorrückende russische Fronteinheiten und Partisanen durch den Ort. Das dürfte der Hauptgrund gewesen sein, dass es im Verhältnis zu anderen Gemeinden wenig zu Vergewaltigungen von Frauen und zu Plünderungen kam. Am 21. Oktober zogen zehn Partisanen in Filipowa ein. Da der amtierende Bürgermeister Georg Eichinger in den letzten Wochen vor dem Einmarsch der Partisanen zum deutschen Militär eingerückt war, gab es keine ordentliche Gemeindevorstehung. Daher rief Altbürgermeister Martin Pertschi die vormaligen "Geschworenen" (Gemeinderäte) zusammen. Diese trugen das Amt des Gemeindevorstehers (Precednik) Josef Held an, der im Ersten Weltkrieg als Freiwilliger auf serbischer Seite gekämpft hatte. Polizeikommandant wurde Djoka Lazic, der in den dreißiger Jahren einige Zeit Polizist in Filipowa gewesen war. In Filipowa wurde aber kein "Volksbefreiungsausschuß" (Narodno Oslobodilacki Odbor, abgek. NOO), sondern nur ein "Ortsausschuß" (Mesni Odbor) errichtet.

Die Gemeindeverwaltung war fast völlig machtlos gegenüber kleinen Trupps durchziehender Partisanen und Russen. Zwischen dem 26. Oktober und dem 8. November verging fast kein Tag, an dem nicht kleine Trupps russischer Soldaten in das Dorf gekommen wären, um den Bauern ihre Pferde wegzunehmen und ansonsten geschlachtete Schweine, Wein, Schnaps und Uhren mitzunehmen und gelegentlich auch nach Frauen und Mädchen zu suchen. Es war eine Zeit der Angst.

Mit dem 28. Oktober 1944 begann die Zeit der Robot. Das bedeutete, dass die Arbeitsfähigen zwischen dem 14. und 60. Lebensjahr stets gewärtig sein mussten, zu Arbeitsgruppen zusammengeholt und im Bereich des Ortes zur Einbringung der stehengebliebenen Ernte oder zu Arbeiten im militärischen Bereich periodisch buchstäblich "zusammengetrommelt" zu werden. Die erste Großrobot galt der Instandsetzung des Feldflugplatzes auf der etwa fünf Kilometer in Richtung Hodschag gelegenen "Heuwiese". Als die Filipowaer infolge eines sprachlich bedingten Missverständnisses am 2. November nicht zur Robot auf der Heuwiese erschienen, wurde der 38jährige Landwirt Franz König, der völlig unschuldig war, vom beaufsichtigenden russischen Soldaten und den Partisanen dafür verantwortlich gemacht, von einem Militärgericht in kurzem Prozess der Sabotage für schuldig befunden, nach Sombor in das berüchtigte Kronic-Palais überstellt und im Dezember 1944 hingerichtet. Mit ihm starb auch Melchior Leopold, der in seinem Elternhaus zurückgebliebene 16jährige Sohn des Ortsgruppenleiters des "Volksbundes der Deutschen in Ungarn", der offenbar das Opfer einer Art "Sippenhaft" wurde.

Ebenfalls noch im November 1944 wurde der 47jährige Landwirt Martin Rapp von Partisanen verschleppt und vermutlich noch im selben Monat in Sombor liquidiert. Rapp war ein schlichter, unpolitischer Dorfbewohner gewesen. Kein Filipowaer konnte sich vorstellen, was der unglückliche Mann verbrochen haben sollte.

Am 5. November mussten alle Radioapparate, Fahrräder, Motorräder und Feuerwehr-monturen abgeliefert werden. Am 10. November wurde die 36jährige Bäuerin Eva Eichinger vor dem Pfarrhaus "standrechtlich" erschossen. In der vorangegangenen Nacht war ein junger Partisanenoffizier bei ihr einquartiert gewesen. Anderntags wurde bei ihr eine Hausdurchsuchung vorgenommen, bei der angeblich einige Gewehrpatronen gefun-den wurden. Wahrscheinlich war es die Rache dafür, dass sie dem Offizier nicht zu Willen gewesen war.

Am 25. November 1944 verkündete der Ausrufer im Dorf, alle Männer und Burschen zwischen 16 und 60 Jahren sollten sich im Gemeindeamt melden. Bis gegen 9 Uhr fanden sich etwa 300 von ihnen beim Gemeindehaus ein. Schon am Vortag war eine Abteilung Partisanen, die angeblich der "Krajiska brigada" angehörte, in das Dorf gekommen. Die schwerbewaffneten Partisanen und Partisaninnen wählten 212 Männer und Burschen willkürlich aus, schrieben sie auf eine Liste und trieben sie dann in Richtung Hodschag auf einen Sallasch (Einzelgehöft), der Josef Roth, dem letzten Bürgermeister von Hodschag gehörte. Berichte von Augenzeugen, die später bekannt wurden, ergeben, dass viele von den Männern und Burschen zuerst gefoltert wurden, bevor sie sich ausziehen mussten, um dann zu den Gruben getrieben zu werden, in denen vormals Fliegerabwehrgeschütze gestanden waren. Die meist betenden Männer wurden erstochen oder erschossen, hierauf in die Gruben geworfen und dürftig mit Erde bedeckt.

Es gibt einen gutbezeugten Bericht, wonach sich das aus altgedienten Partisanen bestehende Kommando vor seinem Einsatz in Filipowa mit 50 Wojwodiner Serben, Bunjewatzen, Slowaken und Ungarn verstärkt hatte. Die Wojwodiner weigerten sich, als man auf dem Roth-Sallasch angekommen war, bei der Folterung und beabsichtigten Exekution der Filipowaer Männer mitzumachen. Eine Rückfrage beim Kommando in Hodschag ergab den Befehl, die Dienstverweigerer seien sofort abzuziehen. Soweit uns ersichtlich, fanden in der Batschka nach dem 25. November 1944 keine Massener-schießungen von Donauschwaben mehr statt.

Die ermordeten Filipowaer stammen aus sämtlichen im Ort vertretenen beruflichen und sozialen Gruppen; 35 von ihnen waren Jugendliche zwischen 16 und 19 Jahren. Unter den 112 Männern zwischen zwanzig und fünfzig Jahren fanden sich mehrere Väter von Familien mit zehn und mehr Kindern. Da auch der Gemeindearzt Dr. Franz Dickmann, der aus Filipowa stammende Arzt Dr. Johann Engert und auch der Apotheker Magister Ludwig Vogl zu den Opfern zählten, blieb der Ort fortab ohne fachmedizinische Versorgung. Die Ermordung dieser Männer stellt einen reinen Terrorakt dar, da von keinem der Ermordeten gesagt werden kann, er habe sich etwas gegen den jugoslawischen Staat oder seine Bürger zuschulden kommen lassen.

Am Weihnachtstag 1944 wurden 24 Männer zwischen 17 und 45 Jahren sowie 85 Frauen zwischen 18 und 30 Jahren, insgesamt also 109 Personen, zusammengeholt und nach Apatin überstellt; das gleiche geschah am 27. Dezember mit weiteren 30 Männern und 100 Frauen. Beide Gruppen, insgesamt 239 Personen, wurden Anfang Januar einwaggoniert und in die Ukraine zur Zwangsarbeit deportiert. Die erste Gruppe kam nach Iwanowka bei Charkow in das Lager 1551, die zweite in das Lager Bakowa-Antrazit Nr.1201 im Gebiet von Woroschilowgrad. Die erste Gruppe musste Wald- und Fabrikarbeit leisten, während die zweite in den Kohlengruben und auf den Kolchosen eingesetzt wurde. Von den 239 Deportierten verstarben bis 1949 28 Männer und 25 Frauen, insgesamt also 53 Personen bzw. 22 Prozent, hauptsächlich an Hunger und Entkräftung. Die letzten von ihnen wurden im November 1949 nach Frankfurt a. d. Oder transportiert und hier entlassen.

Auch in den ersten drei Monaten des Jahres 1945 wurden in Filipowa Arbeitsgruppen ausgehoben und in die Arbeitslager umliegender Batschkaer Gemeinden verbracht. So ging um den 20. Januar 1945 eine Gruppe von Männern und Burschen in das Bezirksarbeitslager Hodschag. Um den 10. Februar wurden an die 20 Mann nach Karawukowa und 21 Mann nach Batsch Brestowatz abkommandiert. Am 12. März gingen an die 200 Filipowaer ab dem 14. Lebensjahr, zum Großteil Frauen und Mädchen, auf Zwangsarbeit und wurden vom Zentrallager Sombor aus auf Arbeitslager in der Nordwestbatschka aufgeteilt. Sie alle waren bei der zwangsweisen Totalinternierung aller Filipowaer nicht mehr im Dorf. Am 14. März 1945 wurden rund 1200 Donauschwaben aus der Gemeinde Karawukowa und am 16. sowie 17. März rund 2500 Donauschwaben aus Batsch-Sentiwan nach Filipowa getrieben und hier in die Häuser eingewiesen. Am Karsamstag, dem 31. März 1945, umzingelten etwa 200 Partisanen das Dorf und trieben innerhalb zweier Stunden alle deutschen Ortsbewohner und die bereits Vertriebenen aus Karawukowa und Batsch-Sentiwan auf die Hutweide. Hier wurden etwa 500 Arbeitsfähige herausgesucht und in das Arbeitslager Filipowa eingewiesen, das aus einigen größeren Häusern bestand. Sie mussten in der Folge die Häuser ausräumen und das Vieh versorgen. Die übrigen rund 7000 Personen, meist Alte, Arbeitsunfähige und Kranke sowie Mütter mit Kindern unter zwei Jahren, mussten den Karsamstag und den Ostersonntag 1945, also zwei Tage und zwei Nächte, auf der Straße und in den Höfen der Häuser verbringen, ehe sie am Ostermontag an die Bahnstation getrieben und mit Güterwaggons in das eben errichtete Gebietskonzentrationslager Gakowa verbracht wurden.

Bei der Einwaggonierung am 2. April 1945 wurden drei Filipowaer erschossen. Jakob Ament (Jg. 1881) schlich sich heimlich nach Hause, um sich mit dem Nötigsten zu versorgen. Einer der Partisanen merkte es und schoss ihn sofort nieder. Ähnlich erging es dem Landwirt Franz Pertschy (Jg. 1903). Er wollte sich aus der Kolonne der Zusam-mengetriebenen heimlich entfernen, wurde aber dabei gesehen und sofort erschossen. Magdalena Hoffmann, geb. Eichinger, stand im 90. Lebensjahr und konnte das Haus, in dem ein Teil der Ausgetriebenen übernachtet hatte, nicht schnell genug verlassen. Sie wurde auf der Hausstiege durch drei Schüsse niedergestreckt.

Den Armen Schulschwestern unserer Lieben Frau, die in Filipowa ein Kloster besaßen und einen Großteil der Volksschulmädchen unterrichtet hatten, gelang es, da sie, gleich allen Ordensfrauen in der Batschka, nicht ins Lager mussten, im Kloster ein Notspital zu errichten, das 66 Tage hindurch von den Partisanen toleriert wurde und bis zu 70 Kranke gleichzeitig beherbergte. Am 4. Juni wurde das Notspital plötzlich aufgelöst. Die Kranken wurden ohne Rücksicht auf ihren Zustand nach Gakowa überführt.

Als der Haupttransport vom 2. April 1945 aus Filipowa in Gakowa eintraf, wurden sofort 50 Männer und Burschen ausgesondert. Meist handelte es sich um Männer, die über sechzig Jahre alt waren. Unter ihnen befanden sich auch 17 Filipowaer. Man verbrachte sie nach Sombor, von wo am 15. April 1945 ein Transport von 428 Mann aus der Batschka nach Syrmisch Mitrowitz (Sremska Mitrovica) abgefertigt wurde. Bis Neusatz ging es in Güterwaggons, die übrige Strecke wurden die Männer ohne Rücksicht auf Alter und Schuhwerk zu Fuß getrieben. Wer zehn, zwanzig Schritte zurückblieb, wurde von den Partisanen totgeschlagen oder erschossen. Von Mitrowitz aus wurden die Männer zur Wiederherstellung der zerstörten Eisenbahnlinie Belgrad-Slawonisch Brod in Marsch gesetzt - dieser Eisenbahnbau gehört zu den schrecklichsten Kapiteln der donauschwäbischen Passion. In Jankovci, in der Nähe von Vinkovci, trafen die Partisanen "Vergeltungsmaßnahmen", wie sie ihre mutwilligen Mordtaten nannten. Sie holten wahllos Opfer aus den Zwangsarbeitern, diese mussten sich ihr Grab schaufeln und wurden dann hineingeschossen. Am 7. Mai 1945 fiel dieser Mordaktion der 15jährige Filipowaer Josef Keller zum Opfer. Auch Peter Garatva, Vater von sieben Kindern, Großvater und Urgroßvater, wurde mit seinen 77 Jahren nach Jankovci verschleppt. Als er infolge der schweren Arbeit und des Hungers völlig erschöpft war, kam er in das berüchtigte Lager nach Mitrowitz (Sremska Mitrovica). Hier wurde er nach Bericht eines Kerneier Augenzeugen von Partisanen erschlagen.

Ende Juni bis Mitte Oktober 1945 diente ein Teil der Filipowaer Häuser in der Böhmengasse auch als Bezirkskonzentrationslager für die nicht zum Arbeitseinsatz verwendeten Deutschen hauptsächlich der Gemeinden des Hodschager Bezirkes. So kamen am 18. Juni die Hodschager, am 22. Juni die Parabutscher und am 26. Juni die Miletitscher nach Filipowa. Es waren aber unter den 1500 Insassen des Lagers auch Deutsche aus Batsch, Deronje, Wajska und Sonta. Mangels Medikamenten und ärztlicher Betreuung traten Malaria und Ruhr in epidemischer Form auf, so dass bis zu der am 17. Oktober 1945 durchgeführten Überführung der Insassen des Lagers nach Gakowa und Kruschiwl etwa 250 Personen verstarben, innerhalb von vier Monaten also nahezu 17 Prozent der Insassen!

Das Arbeitslager Filipowa hatte schon im Januar 1945 mit der Internierung Filipowaer Männer in der Neuen Volksschule seinen Anfang genommen. Es wurde bei der Vertreibung auf etwa 600 Arbeitsleute, Männer und Frauen hauptsächlich aus Filipowa, zudem aber auch aus Karawukowo und Sentiwan, erweitert. Eine Gruppe musste in der Mühle und in den Hanffabriken arbeiten, eine weitere war mit der Räumung der Häuser betraut, wobei Magazine für die Nahrungsmittel, die Möbel und die Wäsche, sowie kollektive Stallungen für die Rinder, Pferde und das Kleinvieh eingerichtet werden mussten, während eine dritte Gruppe mit der Bearbeitung der Felder des Filipowaer Hotters beauftragt wurde, womit gewissermaßen schon die Kolchosenwirtschaft eingeleitet war. Diese wirtschaftliche Tätigkeit unterstand ab Kriegsende der Uprava Narodnih Dobara (Verwaltung volkseigener Güter). Ein Teil der Kleider, der Wäsche und Haushaltsgeräte wurde zu billigen Preisen an die Magyaren und Slawen der umliegenden Dörfer verkauft. So entwickelte sich für einige Wochen eine Verramschung donauschwäbischen Besitzes, den der Volksmund bald nur mehr "Hitler-Markt" - "Hitler-Vasar" (Hitler-Waschar) - nannte.

Daß die Zwangsarbeiter im Grunde rechtlose Sklaven waren, verdeutlicht eine Episode aus dem Arbeitslager Filipowa. Über Nacht waren in dem Haus, in dem man sämtliche Kaninchen zusammengeholt hatte, mehr als hundert Tiere eingegangen. Die Umstände deuten darauf hin, dass sie versehentlich nasses Gras zu fressen bekommen hatten, so dass die Tiere an Blähungen eingingen. Eine aus Hodschag angereiste Kommission des dortigen Militärgerichtes - ihr Wortführer war ein deutschsprechender Jude namens Obrad - ging von der Annahme der Sabotage aus und sah in den Lagerkutschern die Hauptverdächtigen. Man unterzog jeden einzelnen einem strengen Verhör. Da sich alle unschuldig wussten und kein Saboteur namhaft gemacht werden konnte, wählte die Kommission aus der Lagerbelegschaft Stefan Eichinger (Jg. 1920), Valentin Gauß (Jg. 1913), beide aus Filipowa, ferner den aus Batsch-Sentiwan stammenden Lagerkoch und einen weiteren Mann aus und ließ sie noch in derselben Nacht (17. Juni 1945) erschießen.

Anfang Juli 1945 verunglückte der Gemeindevorsteher Josef Held mit dem von einem Filipowaer Schlosser gebastelten Motorwagen und erlag einige Tage später im Kranken-haus Sombor seinen Verletzungen. Seine Amtszeit hatte acht Monate gedauert und seinen Landsleuten keine Vorteile gebracht. Was ihn bewogen haben mag, durch seine Unter-schrift die völlig haltlose Anschuldigung zu bestätigen, die 212 im November 1944 ermordeten Filipowaer seien durchwegs "Faschisten" gewesen, wird wohl für immer ein Rätsel bleiben.

Ab November 1945 wurde sporadisch damit begonnen, sogenannte Kolonisten in die leerstehenden Häuser einzuweisen. Die planmäßige Besiedlung Filipowas mit Serben aus der Lika setzte 1946 ein. Im Zuge der neuen kollektivistischen Staatsdoktrin wurden die "Litschaner" verhalten, sich im Frühjahr 1946 in acht Kolchosen zusammenzuschließen. Landwirtschaftlich erfahrene Lagerinsassen mussten die Neuankömmlinge mit der intensiven Form der pannonischen Landwirtschaft vertraut machen. Nachdem dies einigermaßen geschehen war, wurden die Lagerarbeiter gruppenweise nach Gakowa und Kruschiwl verbracht und das Filipowaer Arbeitslager aufgelöst. Ende 1946 hatte das alte Filipowa somit aufgehört zu bestehen.

Anfang Juni 1948 wurde Pfarrer Peter Müller, der mit seinen vormaligen Pfarrangehörigen in regem Briefverkehr stand, verhaftet und zu mehreren Jahren Gefängnis verurteilt. Im Zuge der Verschärfung der antireligiösen Politik des Regimes mußten im August 1948 auch die Schulschwestern ihr Kloster räumen. Sie und die nach Auflösung der Lager und nach Ableistung der dreijährigen Arbeits-Zwangsverpflichtung etwa 25 in Filipowa lebenden vormaligen deutschen Ortsbewohner verließen Jugoslawien bis 1957.

Hauptsächlich in den beiden Todeslagern Gakowa und Kruschiwl sind zwischen dem 2. April 1945 und dem 1. März 1948 833 Personen aus Filipowa verhungert oder an Krankheiten verstorben. Opfer der Bettelgänge wurden vier Dorfbewohner: Theresia Hönich (Jg. 1921), Anna Welsch (Jg. 1922), Anna Schmidt (Jg. 1913) und Josef Leicht (Jg. 1893). Sie wurden von den Wachen gefasst, als sie mit den erbettelten Lebensmitteln in das Lager zurückgelangen wollten. Sie wurden in den berüchtigten Keller geworfen und derart gefoltert, daß sie kurz nach ihrer Entlassung aus dem Keller verstarben. Martin Rack wurde beim Versuch, das Lager zu verlassen, um Kleidungsstücke für Lebensmittel einzutauschen, ertappt und in das Kommando gebracht. Der Vater von fünf Kindern floh aus der Lagerkommandantur und wurde auf offener Straße niedergeschossen. Elisabeth Wurtzky (Jg. 1885) besuchte am 5. Januar 1946 verbotenerweise die Messe in der Gakowaer Kirche. Partisanen drangen während des Gottesdienstes in die Kirche ein und verhafteten die Anwesenden. Die 61jährige Frau wurde unmittelbar darauf zu einem der Massengräber geführt und hingerichtet.

Nebst den 833 Lageropfern und den 53 Opfern der Russlandverschleppung starben auf der Flucht vor der anrückenden Roten Armee, ferner auf der Flucht aus den Lagern nach Ungarn, Österreich und Deutschland sowie an anderen unmittelbaren Fluchtfolgen bis 1948 57 Personen. An verschiedenen Orten erschossen oder erschlagen wurden 24 Personen; zwei Zivilpersonen gelten als vermisst. Zusammen mit den 212 Opfern des 25. November 1944 und den gefallenen sowie vermissten Soldaten verlor die Gemeinde insgesamt 1413 Personen, das sind nahezu 27 Prozent der Bewohnerschaft.

Rechnet man 900 Soldaten, 510 Ausgewanderte, 240 Russlandverschleppte und 220 Ermordete weg, so dürften mit 31. März 1945 an die 3400 bis 3500 Bewohner von Filipowa in Lagern interniert gewesen sein. Rechnet man zu den 833 Lageropfern noch etliche der Erschlagenen und Fluchtopfer hinzu, darf man an die 860 Personen als Opfer der Lagerinternierung ansehen. Folglich verstarben in den Lagern rund 25 Prozent der etwa 3500 Internierten. Rechnet man für Gakowa und Kruschiwl mit etwa 3000 Internierten aus Filipowa und mit etwa 840 Opfern, dann beträgt die Verlustrate in diesen beiden Todeslagern rund 28 Prozent. Im Herbst 1944 kamen schätzungsweise 3800 Filipowaer unter die Herrschaft der Partisanen. Von diesen wurden ermordet oder verstarben in den Lagern, die Opfer der Russlanddeportation eingeschlossen, 1118 Personen. Die Verlustrate der Daheimgebliebenen beträgt demnach 31 Prozent.

Von den heimatvertriebenen und geflüchteten Filipowaern wurden gut eintausend in Österreich, gut zweitausend in Deutschland, einige hundert in den USA und Kanada sesshaft. In Ungarn verblieb ein schwaches Hundert. Es besteht seit 1965 eine organisierte Heimatortsgemeinschaft und eine länderübergreifende Zusammenarbeit zwischen den hauptsächlichen Siedlungszentren Wien, Linz, München, Stuttgart und der Pfalz.

Verfasser: Georg Wildmann und Josef Pertschi

Veröffentlicht in: Arbeitskreis Dokumentation, Leidensweg der Deutschen im kommunistischen Jugoslawien, Band I, Ortsberichte, München/Sindelfingen 1991, 473-480. Wortident auch in: Verlag Universitas, Weißbuch der Deutschen aus Jugoslawien, München 1992, 473-480.

Quellen:

Anton Zollitsch, Filipowa. Entstehen, Wachsen und Vergehen einer donau-schwäbischen Gemeinde in der Batschka. Pannonia, Freilassing 1957.

Paul Mesli/Franz Schreiber/Georg Wildmann, Filipowa - Bild einer donauschwäbischen Gemeinde. Sechster Band: Kriegs- und Lageropfer, Eigenverlag, Wien 1985. Siehe auch bei denselben Autoren Siebter Band: Filipowa weltweit, Wien 1992, S. 25-44; sowie Achter Band: Filipowa 1914-1944, Wien 1999, 265-296.

Erlebnisberichte mehrerer Autoren, veröffentlicht in den seit 1961 laufend erscheinenden "Filipowaer Heimatbriefe". Herausgeber: Verein der Filipowaer Ortsgemeinschaft in Österreich, Steingasse 25, A-1030 Wien.

Bundesministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte (Hrsg.) Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus Ost-Mitteleuropa, Bd. V: Das Schicksal der Deutschen in Jugoslawien (abgek.: Dok. V), 261-273, 319-337, 414-441, 626-633.

Unveröffentl. Berichte: Eva Eichinger, geb. Pramberger (Jg. 1911); Anna Pertschy, geb. Haarer (Jg. 1924), Theresia König (Jg. 1924). Deutsches Bundesarchiv, Erlebnisberichte der Filipowaer, Aktenband Batschka VI/5, 1-30; 79-208.

Einwohnerschaft 1945 nach Herkunft, Haushalt und Beruf gegliedert:

Einwohnerzahl 1945:
Donauschwaben 5280
Madjaren 15
Slawen 11
Insgesamt 5306
Familiäre Gliederung 1945:
Häuser 801
Haushalte 1431
Familien 1121
Alleinstehende 310
Berufständische Gliederung:
Bauern 348
Handwerker/Gewerbetreibende 382
Arbeiter/Tagelöhner 391

Kriegs- und Lageropfer

Im II. Weltkrieg als Soldaten gefallen 165
Am 25.11.1944 von Partisanen ermordet 212
Als Zwangsarbeiter in der Sowjetunion verstorben 53
Erschossen oder erschlagen 24
Als Zivilisten oder Soldaten vermisst 69
Auf der Flucht (1944/48) verstorben 57
In den Lagern verhungert bzw. verstorben 833
Gesamtzahl der Kriegs- und Lageropfer 1413

Der Ort verlor demnach durch Krieg und Verfolgung 26,7 Prozent seiner Einwohnerschaft

Dr. Raimund Eichinger hat eine Dissertation über die soziale Situation überlebenden Filipowaer nach der Vertreibung verfasst und dabei 28 Prozent der Überlebenden persönlich befragt. Rechnet man die Angehörigen der Befragten hinzu, dann betrifft das 2677 der 3898 überlebenden Filipowaer; es konnte also das Schicksal von fast 69 Prozent statistisch direkt erfasst werden.

(Quelle: Raimund Eichinger, Die Filipowaer nach Filipowa. Sozialgeographische Entwicklung einer donauschwäbischen Ortsgemeinschaft nach der Vertreibung. Dissertation, eingereicht an der Universität Graz 1987, als Manuskript gedruckt 2001)

Nach dieser Statistik waren von den in Jugoslawien verbliebenen Bewohnern Filipowas Anfang April 1945:

lagerfrei in Flipowa 2,4 %
im Lager Filipowa 19,5 %
im Konzentrationslager Gakowa 57,2 %
in Arbeits- u. anderen Konzentrationslagern 21,0 %

Von denen, die fliehen konnten, flohen:

von April 1945 bis März 1947 28,5 %
im März 1947 14,3 %
im April 1947 25,3 %
im Mai 1947 17,4 %
von Juni 1947 bis Januar 1948 10,8 %
Für 3 weitere Jahre zwangsverpflichtet 3,7 %

Neue Heimat nach der Vertreibung

Nach Stand vom 1. Dezember 1987 waren von den vertriebenen Bewohnern Filipowas sesshaft geworden in:

Europa

BRD 2168
Österreich 1078
Ungarn 97
Jugoslawien 59
DDR 50
Schweiz 9
Frankreich 8
CSSR 2
Italien 2
Insgesamt 3437

Übersee

USA 308
Kanada 96
Südamerika 8
Afrika 5
Australien, Neuseeland 8
Insgesamt 425

Von den 5306 Einwohnern Filipowas haben 3898 überlebt und in 18 Ländern eine neue Heimat gefunden, 89 Prozent in Europa, 11 Prozent in Übersee.
1947 bedeutete für die Überlebenden das Hauptfluchtjahr.
Die gebürtigen Filipowaer bauten sich weltweit zu 80 Prozent Eigenheime.
1957 waren sie zum Großteil in ihre aus den "Übergangswohnungen" in ihre Hauptwohnsitze eingezogen.

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