Damals war der 45jährige in Kremnitz in Böhmen geborene Josef Tonhäuser Pfarrer in Filipowa, von dem die Filipowaer voller Dankbarkeit auf einer alten Steintafel vermerkten: „Er war 33 Jahre unser allgeliebter Vater und Seelsorger, lebte als nachahmenswürdiges Muster der Liebe und Demut“. Mehr wissen wir weder von ihm noch von der Errichtung der groß en Kirche. Doch dürfte Tonhäuser ein Friedensstifter gewesen sein, da sich zu seiner Zeit die so unterschiedlichen, vor allem aus dem Alemannischen und Rheinfränkischen stammenden Ansiedler zu gemeinsamer Sprache, Tracht und Brauchtum einigten und so erst zu Filipowaern wurden.
Fünfzig Jahre später, 1854, wurde der Turm neu errichtet, ein gewaltiger Sturm hatte ihn ein Jahr vorher schwer beschädigt. 75 Jahre später, 1880, riss abermals ein Orkan den Turmhelm von der Kirche und beschädigte das Kirchendach. Der Filipowaer Baumeister Johann Holzinger .schuf den spitzen, klassizistischen Turmhelm und besorgte das Kupferdach, beides Merkmale, die allen Filipowaern, die einige Jahre im alten Heimatort lebten, .so vertraut sind.
Zwei Jahre später, 1882, kam der in Sombor geborene Josef Martin als Pfarrer nach Filipowa, der spätere „Domherr“, die schaffensfreudigste und kunstsinnigste Priestergestalt unserer Dorfgeschichte. Er gab dem Ort das bauliche und malerische Aussehen, das die Filipowaer, die im Dorf gelebt haben, als bleibende Erinnerung mittragen. Schon 1885 ließ Pfarrer Martin das Presbyterium der Kirche von den damals bekanntesten Kirchenmalern Ungarns ausmalen. Jetzt wurde der Altarraum lebendig: Die seitlichen Wandgemälde wie „Die Hochzeit von Kana“, „Das Letzte Abendmahl“ und im Gewölbe „ Mariä Himmelfahrt“ erhöhten die .spirituelle Qualität des gesamten Kirchenraumes.
Als Verantwortlicher für die Schule ließ Martin 1888 ein neues Schulhaus errichten. 1890 - vor 115 Jahren - stifteten Mathias Urich und seine Frau die Friedhofskapelle. Das vreanlasste den Pfarrer, jene monumentale Kreuzweganlage entstehen zu lassen, die mit einer ihr eigens innewohnenden Kraft auf den Kalvarienberg mit seiner lebensgroßen Kreuzigungsgruppe hinführte.
1902 wurde Josef Martin Dechant und Ehrendomherr, und im gleichen Jahr unterbreitete er im Gemeindeausschuss den Vorschlag, die ‚Armen Schulschwestern unserer Lieben Frau‘ nach Filipowa zu bringen und hier ein Kloster mit Mädchenschule zu errichten. So gelang ihm die bis zuletzt gültige Sanierung der Schulraumfrage. Schon 1904 stand die Klosterschule, 1905 kamen die Schwestern und im Herbst begann der Unterricht. In der Folge nahm auch die Zahl der weiblichen Ordensberufe sprunghaft zu. Nicht zu vergessen, dass im selben Jahr - ebenfalls ein 100-Jahr - Jubiläum die Filipowaer Dampfmühle ihren Betrieb aufnahm.
1907 ließ Domherr Martin durch die akademischen Maler Franz Lohr und Karl Greiner die Mittelkuppel der Kirche mit der „ Verklärung Christi“ (dem berühmten Gemälde Raffaels nachempfunden) und die Kuppel über dem Chor mit der „ Geburt Christi“ ausmalen und gleichzeitig die Orgel neu bauen. Nun erst war das Werk vollendet: Der hohe Raum mit seinen Bildern lenkte den Blick nach oben, vermittelte die Ahnung von einer anderen Wirklichkeit. Viele kamen mit ihren Sorgen hinein und gingen in Frieden hinaus. Hier verehrten sie Gott in unzähligen Tagesmessen und erlebten sie in den Hochämtern die „Inszenierung“ des Evangeliums.
Mit dem Vollausbau der Kirche bekam Filipowa - unter gewaltigen finanziellen Opfern seiner Bewohner - im Jahrzehnt vor dem 1. Weltkrieg sein den gebürtigen Filipowaern so vertrautes Gesicht. Der Kirchenbau verkörperte ihre Identität und Geschichte. Genau 150 Jahre nach Weihe der Kirchen, im Jahre 1956 feierten die wenigen letzten noch im Ort lebenden Filipowaer - der letzte Pfarrer von Filipowa, Peter Müller, war .schon im Oktober 1951 verstorben - ein Hochamt zum. 150 Jahrestag der Weihe. Nach einem Gedenkgottesdienst für die Toten des 25. November 1944 im selben Jahr wurde die Kirche behördlich geschlossen. Genau 60 Jahre nachdem Domherr Martin der Kirche ihr endgültiges Aussehen gegeben hatte, nämlich 1967, ging mit ihrem Abriss ein Zeichen des Glaubens und Lebenswillens endgültig zugrunde. Niemand der neuen Verantwortlichen tat energisch etwas gegen ihren allmählichen Verfall. Sie bejahten die Zerstörung wohl innerlich als den symbolischen Akt, uns und unsere Geschichte aus der Erinnerung zu tilgen und - soweit sie Kommunisten waren - ihre atheistische Weltanschauung zum Ausdruck zu bringen.
Die bildliche Darstellung der Kirche von Filipowa, wie sie als Ehrengabe Erzbischof Dr. Robert Zollitsch am 1. Mai 2005 überreicht wurde, erlaubt der noch immer lebendigen Gemeinde einen selbstbewussten Rückblick. Das erzene Bildnis ist auch ein Protest gegen den Versuch, die Erinnerung an uns Donauschwaben als Volksstamm, als Glaubende und als Träger einer lebendigen Agrarkultur aus der Geschichte zu löschen.