„Dann kam der 25. November, der schwärzeste Tag, der je über diese friedliche Gemeinde hereingebrochen ist. Es war ein bedeckter, nasskalter Herbsttag. In der Früh wollten einige Bauern auf ihre Felder fahren, um die Herbstsaat auszustreuen. Sie wurden aber von Partisanen und Partisaninnen, die das ganze Dorf umzingelt hatten, daran gehindert und ins Dorf zurückgetrieben. Nach der hl. Messe ging der Ausrufer mit der Trommel wieder durch das Dorf und verkündete: Alle Männer und Burschen von 16-60 Jahren haben sich unverzüglich vor dem Gemeindehaus einzufinden. Wer nicht kommt und von den Partisanen erwischt wird, werde an Ort und Stelle erschossen. Vor dem Pfarrhaus musste der Trommler kundgeben, dass sich auch die Priester zu melden hätten. Wir waren damals vier Priester im Ort: der Pfarrer Peter Müller, ich selbst als sein Kaplan, und außerdem waren noch zwei Priestersöhne der Gemeinde (Pater Friedrich Gillich und Anton Zollitsch) vor den anrückenden Partisanen zu ihren Eltern gekommen, um hier abzuwarten, bis sich der Sturm gelegt haben würde. Bisher waren wir Priester von den üblichen Meldungen verschont geblieben.
So sammelten sich bis gegen 9 Uhr ungefähr 350 Männer und Burschen vor dem Gemeindehaus. Mehr Männer waren nicht im Dorf: Entweder waren sie als Soldaten weit weg von der Heimat, oder sie waren außerhalb der Heimatgemeinde zur Arbeit aufgeboten, zumeist auf dem Flugplatz der Kreisstadt.
Wir sahen Partisanen und Partisaninnen mit hasserfüllten Gesichtern oder auch teilnahmslos hin- und hergehen, schlecht angezogen, halb in Zivil, halb in Uniform, Maschinenpistolen auf der Brust hängend oder Gewehre auf dem Rücken. Niemand sprach uns an. In kleineren Gruppen standen wir umher und mutmaßten, was es wohl wieder Neues geben werde. Die meisten nahmen an, dass es sich um eine Zwangsrekrutierung handle, nur dass es jetzt vielleicht für längere Zeit und in weiterer Entfernung sein werde. Gegen 10 Uhr wurden wir in den umzäunten Hof um die Kirche beordert und mussten uns dort in Viererreihen aufstellen. Es wurde ein längerer Tisch herbeigebracht, und daran setzten sich einige serbische Schreiber. Zwei Partisanenoffiziere (einer von ihnen wurde Slavko genannt, und der andere war ein Ungar) gingen mit dem Polizeikommandanten der Gemeinde, Djoko, vor uns hin und her. Auf einmal kam der Polizeikommandant zu uns und sagte, wir sollten uns hinten anstellen. (Bisher waren wir ziemlich an der Spitze der Viererreihen gestanden.) Dies mussten außer uns drei Priestern (der Pfarrer war nicht gekommen, da ihm nur einige Tage bis zum 60. Geburtsjahr fehlten) auch die beiden Ärzte Dr. Dickmann und Dr. Johann Engert, der Apotheker Ludwig Vogl und Professor Becker tun. Von vorne beginnend mussten jetzt die einzelnen Männer und Burschen an den Tisch treten, dort wurden sie aufgeschrieben und wurden dann, in zwei Gruppen getrennt, auf der anderen Seite aufgestellt. Wir von hinten schauten dem zu und versuchten herauszubringen, nach welchem Gesichtspunkt die Einteilung vorgenommen wurde. Wir konnten aber nicht klug daraus werden. Nur sahen wir, dass die Gruppe entlang der Kirche immer größer wurde, während die Gruppe gegen die Straße zu nur mäßig anwuchs. In der kleineren Gruppe waren auch die zwei männlichen Lehrer des Dorfes, Kovács und Jakob Szentfülöpi, die aber später zur anderen Gruppe hinüberwechseln mussten. Auch glaubten wir feststellen zu können, dass jene, die besser angezogen waren, zumeist zur größeren Gruppe kamen.
So kam der Mittag heran. Da trat der Mesner Martin Meixner zum Polizeikommandanten und fragte, ob es erlaubt sei, in die Kirche zu gehen, um die Mittagsglocke zu läuten. Er bekam die Erlaubnis und ging in Begleitung eines Partisanen auf den Kirchturm. Als die Glocke ertönte, entblößten die Männer die Häupter, überall wurde das Kreuz geschlagen, und die Männer beteten still für sich den Engel des Herrn, während die Partisanen hämisch grinsten.
Jetzt schien es aber den Offizieren zu langsam zu gehen. Sie traten vor die Reihen jener hin, die noch nicht aufgeschrieben waren, fragten die Einzelnen, welchen Beruf sie haben und schickten dann einzelne an den Tisch, sich aufschreiben zu lassen. Von diesen kamen alle zur großen Gruppe an der Kirchenmauer. So fragte der Offizier auch einen jungen Burschen, welchen Beruf er hätte, und als er hörte, dass er Friseur sei, musste er nicht an den Tisch und konnte bleiben.
So kamen sie auch zu uns. Einer von uns Priestern, Hw. Anton Zollitsch, der früher in Paraćin in Serbien als Seelsorger tätig war, hat den Partisanenoffizier schon vorher, als wir noch nicht im Hof waren, erkannt und mit ihm ein paar Worte gesprochen. Er erzählte uns, dass dieser jetzige Offizier früher in der gleichen serbischen Stadt Friseurgehilfe war und ihm öfter die Haare geschnitten und ihn rasiert hätte. Er heiße Slavko. Und dieser Slavko rief nun den Priester auf die Seite und sagte ihm, er möge nach Hause gehen. Unterwegs zum Ausgang bat nun dieser Priester seinen früheren Friseur, einen jungen Menschen von ungefähr 23-25 Jahren, er möge wenigstens noch uns zwei Priester weggehen lassen, was dann auch später geschah, während die beiden Ärzte, der Apotheker und der Professor sich melden mussten und auch der großen Gruppe eingegliedert wurden. –Inzwischen war auf dem Hof ein Maschinengewehr aufgestellt worden, immer mehr Partisanen und Partisaninnen kamen hinzu, sie brachten eine Tragbahre und Spaten. Jetzt ahnten alle, dass Schlimmes bevorstand, und es wurden kaum noch einige Worte gesprochen. Beim Maschinengewehr hantierten einige Partisanen, als plötzlich eine Salve losging und über den Köpfen der Männer in die Kirchenmauer eindrang. Es löste einen ziemlichen Schrecken aus, aber auch die Offiziere waren aufgeschreckt.
Von einem Fenster des Pfarrhauses konnte ich verfolgen, was sich einige Schritte von mir weiter zugetragen hat. Es waren nun drei Gruppen: die größte, ungefähr 240 Männer und Burschen, entlang der Kirche; eine kleinere von ungefähr 30-40 gegen die Straße; und der Rest waren jene, die sich noch nicht zum Tisch begeben mussten und sich entlang des Pfarrhauses befanden“ (Dok. V, 265 267).
Über Leben und Tod entschied in diesen Stunden auch die Schickung des Zufalls. Als an die Männer und Burschen die Frage gestellt wurde, wer von ihnen daheim Kriegsausrüstung oder Lederstiefel habe, der möge sich melden und er würde entlassen, hob Karl Mattes zitternd die Hand und gab an, er hätte daheim ein Paar Lederstiefel. Ein Partisan begleitete ihn zu seiner Wohnung, wo er demselben die Stiefel übergab. Dieser verließ des Haus, und Karl Mattes konnte zurückbleiben. Die Lederstiefel retteten ihm an diesem verhängnisvollen Tag das Leben.
Nach Errichtung des Lagers Filipowa wurde Karl Mattes als Arbeiter in der Mühle angestellt, wo er bis Ende 1946 tätig war und als letzter Lagerinsasse die Heimatgemeinde verlassen musste. Er kam gerade zu der Zeit in das Vernichtungslager Gakowa, zu der die Flucht aus dem Lager richtig angefangen hatte. Er stellte sich als Fluchthelfer zur Verfügung, und es gelang ihm, gemeinsam mit seinem Kameraden Sebastian Pertschy, an die tausend Menschen aus dem Vernichtungslager auf dem Fluchtweg über die ungarische Grenze in die Freiheit zu retten. (Siehe HB 311 1982, 131f.)
Mit welch unbekümmerter Willkür vorgegangen wurde, beschreibt treffend der Bericht des damals 16jährigen Paul Wildmann (vgl. Dok. V, 267f., Anmerkung 5).
Die am Tisch sitzenden drei Schreiber hatten nebst dem Namen und dem Geburtsdatum des Betroffenen auch zu notieren, welchen Beruf er ausübte und ob er Vermögen besaß. Als Dolmetscher hatten sich die drei Schreiber den Medizinstudenten Valentin Eichinger, nachmals praktischer Arzt in Graz (t 1982), ausgesucht. Als Paul Wildmann an der Reihe war, benutzte Eichinger die Gelegenheit, sich eine Zigarette zu drehen. Er wusste, dass Wildmann als Travniker Student ein wenig Serbisch verstand. Ohne sich umzusehen, fragte einer der Schreiber nach Name und Vorname. Als Wildmann antwortete, merkte der Serbe, dass es nicht die gewohnte Stimme war. Er drehte sich um, sah den kleingewachsenen Paul Wild-mann vor sich und sagte: „Warte ein bisschen!“ und begann auf seiner Liste zu zählen, einmal 198 und einmal 202, worauf er bemerkte: „Wir brauchen nicht mehr viele.“ Er stand auf, kam zu Paul Wildmann und fragte ihn, wie alt er sei. Als dieser antwortete, er sei 16, fragte der Schreiber, ob das stimmte. Als Wildmann dies bejahte, sagte der andere: „Du bist noch jung, du sollst nach Hause zur Mutter gehen“, nahm ihn und führte ihn in jene Kirchhofecke, die unter dem Fenster der Pfarrkanzlei lag, kam zurück und stieß die sehr jungen Kameraden von Wildmann ebenfalls in jene Richtung. Nun standen auch die beiden anderen Schreiber von ihren Tischen auf, riefen einige Partisanen zu sich und sagten ihnen, sie sollten den Rest der noch nicht Aufgeschriebenen ebenfalls in jenes Eck treiben, wo Wildmann und seine Kameraden standen. Das geschah dann auch.
Dieses ganze Vorgehen lässt darauf schließen, dass man die Absicht gehabt oder sich mit der Gemeindeleitung geeinigt hatte, 200 Männer zu liquidieren.
Damit aber war das grausame Spiel der Auswahl noch nicht zu Ende. Es kamen nämlich Partisanen und Partisaninnen in die Ecke der noch nicht Registrierten, fassten den einen oder anderen, führten ihn zu den Tischen und ließen ihn aufschreiben, um ihn dann zu der großen Gruppe an der Kirchenmauer zu stellen. Djoko, der Polizeikommandant von Filipowa, war offenbar mit dem ganzen Geschehen nicht einverstanden. Er ging zu der Gruppe bei der Kirche, rief mehrere heraus und brachte sie zurück zur Gruppe beim Pfarrhaus, so auch den Vater von Wildmann. Die Partisanen jedoch nahmen immer wieder einige und brachten sie zur Gruppe bei der Kirche zurück. Das ging so einige Male hin und her. Paul Wildmann berichtet, sein Vater und sein Bruder hätten zweimal die Gruppe wechseln müssen, bis sie dann doch bei den Todgeweihten blieben. Schließlich machten die Partisanen dem Wechselspiel ein Ende: Der Polizeikommandant musste den Kirchhof verlassen, obwohl er nicht wollte. Es scheint aber, dass durch seinen Einsatz mehr Filipowaer gerettet wurden, als es anfangs den Überlebenden erscheinen mochte. Die Zurückbleibenden schätzten nämlich, dass die Partisanen 242 Mann mitgenommen hätten. In Wirklichkeit waren es 212.
Als die Partisanen ihre Zahl voll hatten, mussten sich die Männer und Burschen, die entlang der Kirchenmauer standen, in Viererreihen aufstellen. Zwischen ihren Reihen nahmen Partisanen und Partisaninnen Aufstellung, so dass sich acht Reihen ergaben. An die Spitze stellten sich etwa acht Mann Partisanen, andere postierten sich an die Flanken, der Rest montierte das Maschinengewehr ab, nahm die Tragbahre und die Spaten und stellte sich am Ende des Zuges auf.
Dann kam vom Gemeindehaus ein Partisan auf dem Pferd herbeigeritten, stellte sich an die Spitze der acht Reihen, gab Kommando, und so ging es dann den Kirchhof und die Kirchengasse gegen Hodschag die herbstlich kotige Straße hinaus.
„Es war ein trauriger Zug, und noch trauriger waren die verstohlenen Blicke der Angehörigen hinter den verhängten Fenstern und den spaltenweit geöffneten Türen.“ Paul Wildmann berichtet noch, wie sie als Zurückbleibende gesehen hätten, dass die Partisanen einem verkrüppelten Mann, der nicht schnell genug gehen konnte, Fußtritte gaben. Dann kam die Ortspolizei und trieb die restlichen beiden Gruppen in die Kirche. Vom Kirchturm schlug es drei Uhr.
Auf der Gasse durfte sich niemand blicken lassen, denn sofort ratterten Maschinenpistolen ungezielt in seine Richtung. An der unteren Kreuzgasse scheute infolge der immer wieder unversehens einsetzenden Schießerei das Pferd des Kommandanten. Es stieg hoch, während der Mann gerade eine Salve aus seiner Maschinenpistole abgab, und er verletzte sich selbst schwer. Er stürzte vom Pferd und erlag am nächsten Tag seiner Verwundung.
Der Zug setzte aber seinen Weg auf der kotigen Straße in Richtung Hodschag fort und entschwand im düsteren Herbstnachmittag langsam den Blicken, die ihm durch Türspalten oder hinter Fenstervorhängen verstohlen folgten. Alle, die die stumm und ernst dahingehenden Männer gesehen hatten, dachten unwillkürlich an einen Todesmarsch. Sie sollten recht behalten.
Die 212 Männer und Burschen wurden auf einen Salasch (Meierhof) nahe der Hodschager Heuwiese, der einem gewissen Roth gehörte, getrieben. Die Kunde von den Dingen, die sich beim Rothsalasch abspielten, gelangte trotz des strengen Schweigegebots der Mitbeteiligten im Laufe der nächsten Jahre an die Öffentlichkeit.
Es gibt einige sehr glaubhafte Aussagen vornehmlich von Partisanen aus der Wojwodina, die dabei waren, Filipowaern und anderen Donauschwaben gegenüber; Aussagen, die sich wie Mosaiksteine zusammenfügen und ein ungefähres Bild der schrecklichen Ereignisse jener Nacht des 25. November 1944 liefern.
Auf dem Rothsalasch wurden die Männer offenbar zuerst aufgefordert, einander zu verraten: Wer angebe, welcher seiner Mitgefangenen ein eifriger Anhänger des „Kulturbundes“ oder aktives Mitglied der „Deutschen Mannschaft“ gewesen sei, der werde freigelassen. Die Gegner der Kulturbund- und späteren Volksbundpolitik sollten also deren aktive Befürworter verraten. Man muss bedenken, dass in Filipowa religiöse und weltanschauliche Überzeugungen radikaler als anderswo gelebt und während des Krieges auch handgreiflich ausgestritten wurden. Es wäre nicht verwunderlich, wenn in dem einen oder anderen Mann ein Revanchegelüst vorhanden gewesen wäre. Keiner der Männer verriet einen anderen, obwohl sie schon gewusst haben dürften, dass ihnen der Tod bevorstand. Man kann sich nur mit Respekt vor Männern solcher Charakterstärke verneigen. Es gab unter ihnen keinen Denunzianten.
Als keiner eine Aussage machte, wurden sie schwerstens gefoltert. Von diesen Folterungen mag das Blut stammen, das an den Kleidern klebte, welche zwei slowakische Kutscher noch in der Nacht und anderntags ein donauschwäbischer Kutscher aus Filipowa wegführen mussten (siehe Dok. V, 269).
Das Exekutionskommando – es dürfte hauptsächlich aus Serben aus der Gegend um Niš bestanden haben – musste bei den Ermordungen der Hodschager Männer vom 23. November 1944 (siehe Paul Pfuhl, Dok. V, 26917.) zur Auffassung gelangt sein, dass es mannschaftsmäßig zu schwach sei. Es forderte daher von der Somborer Kaserne weitere 50 Mann an, die sich sämtliche aus Wojwodiner Serben, Slowaken, Bunjewatzen und Ungarn rekrutierten. Diese Wojwodiner wussten offenbar zunächst nicht, um was es eigentlich ging. Spätestens bei den beginnenden Folterungen wurde es auch ihnen klar, dass sie bei der grausamen Tötung der gefangenen Filipowaer mithelfen sollten. Da erkannte ein Bunjewatz, ein Bauer aus Nemesch Miletitsch, den Filipowaer Apotheker Magister Ludwig Vogl. Er wandte sich an die Kommandeure der Truppe mit der Forderung, Magister Vogl müsse freigelassen werden. Er kenne die Familie, der Vater des Apothekers sei in Sentiwan Lehrer gewesen, er könne sich nicht denken, dass dieser Mann irgendeine Schuld auf sich geladen hätte. Es kam zu einer Auseinandersetzung mit den Partisanen aus Altserbien, in deren Verlauf sich offenbar ein Großteil der Wojwodiner diesem Bunjewatzen anschloss und sich weigerte, bei der Folterung und der beabsichtigten Exekution der Filipowaer Männer mitzumachen.
Die Anführer des Exekutionskommandos waren nun in ihrem Vorhaben sehr verunsichert. Sie schickten einen berittenen Kurier zum Kommando von Hodschag mit der Frage, was zu tun sei. Der Kurier kam noch in der Nacht mit dem Befehl zurück, die Dienstverweigerer seien sofort abzuziehen. Der Name des in Österreich lebenden Donauschwaben, der diese Vorgänge als „herausgekaufter“ Lagermann vom besagten Bunjewatzen selbst erfahren hat, ist den Herausgebern dieses Bandes bekannt.
Wir verneigen uns mit Respekt auch vor dem Mut und der Charakterstärke dieser Männer aus der Wojwodina und sehen in ihrem Verhalten den Beleg dafür, dass es ungerecht und unsinnig wäre, allen Serben, Bunjewatzen oder Ungarn einen Hass und Vernichtungswillen ihren donauschwäbischen Nachbarn und Mitbewohnern gegenüber anzulasten.
Diese mutige Tat eines Teiles der Wojwodiner dürfte der Anlass dazu gewesen sein, dass die Frage der Liquidierungen und ihrer Sinnhaftigkeit von Hodschag über Sombor bis nach Belgrad weitergeleitet und neu erörtert wurde. Soweit wir sehen können, dürften ab dem 25. November 1944 keine weiteren Massenhinrichtungen mehr stattgefunden haben. Dass die Sowjets die Liquidierungen duldeten, dürfte unbestritten sein. Wahrscheinlich drangen ab dem 25. November auch sie energisch auf die Einstellung dieser Grausamkeiten, weil sie offenbar bereits den Plan gefasst hatten, Donauschwaben aus Jugoslawien, Ungarn und Rumänien in möglichst großer Zahl als Zwangsarbeiter in die Sowjetunion zu deportieren.
Umso erstaunlicher die Grausamkeit der anderen. Derselbe Gewährsmann gibt an, dass den Befehlsverweigerern zum Hohn Magister Vogl als erster erschlagen und in eines der Flaklöcher geworfen wurde; diese Gruben waren zur Zeit des deutschen Feldflughafens von der Flugabwehr angelegt worden und mussten jetzt als Massengräber dienen.
Es gibt einen Bericht über die Ereignisse, die ein serbischer Knecht, der bei Gregor Eichinger in Diensten war, Filipowaer Nachkommen in Tomaschanzi gegenüber gegeben hat. Der Mann besitzt deshalb eine große Glaubwürdigkeit, weil er erstaunlich genaue Personenangaben machen kann.
So erzählte er, dass die Partisanen verlangten, ein Sohn solle seinen Vater schlagen! (Beider Namen sind der Redaktion bekannt; nahe Verwandte haben gebeten, die Namen nicht zu nennen.) Der Sohn weigerte sich. Da sagte der Vater: „Mach net lange herum. Hau einmal anständig zu. Je schneller die Sache vorbei ist, desto besser für uns alle . . .“ Grausames Spiel ... Der Mann berichtete weiter, dass nach Magister Vogl als einer der ersten der Gemeindearzt Dr. Franz Dickmann besonders grausam umgebracht worden sei. Einer der Partisanen, offenbar ein Wojwodiner, habe dies aus persönlicher Rache getan. Dieser Partisan habe während der Kriegszeit von Dr. Dickmann verlangt, er solle ihn krankschreiben, damit er nicht zu den Ungarn einrücken müsse. Der aufrechte Arzt soll ihm geantwortet haben: Wenn ich dich krankschreibe, dann muss ich alle anderen auch krankschreiben. Das kann ich nicht, du bist gesund. So wurde Dr. Dickmann noch in seinen letzten Minuten gewissermaßen Opfer seines ärztlichen Ethos!
„Einer der Partisanen, der dabei war, als die 212 liquidiert wurden, hat ungefähr zwei Jahre später einer Frau, deren Mann auch dabei war, erzählt, dass die Filipowaer fromme Menschen gewesen sein müssten. Als die Frau ihn fragte, warum er dies sage, erzählte er ihr, wie es in der damaligen Nacht zugegangen ist. Als man die Männer niederschlug (er selbst habe sich daran nicht beteiligt), da haben sie gebetet und sich gegenseitig Trostworte zugerufen“ (Paul Pfuhl, Dok. V, 270).
Schwester Lea und die Mutter Magdalena Johler gingen im Jahr 1946 auf die Saläsch (Maierhöfe) am Keresturer Hotter betteln, um die Lagerleute mit Lebensmitteln unterstützen zu können. Sie bekamen Lebensmittel und auch Geld.
Auf einem Salasch trafen sie einen Mann, der ihnen sehr aufmerksam zuhörte, als sie über die Not in den Konzentrationslagern berichteten. Nachdem er erfuhr, dass sie aus Filipowa kamen, wurde er sehr ernst und begann traurig zu erzählen: „Ich wurde im Jahre 1944 von der Militärbehörde zum Dienst in den Heimatschutz einberufen. Ich musste bei der Säuberungsaktion am 25. November 1944 mittun. Ich war nicht bei denen, die bewaffnet waren, sondern bei denen, die als Sanitäter rekrutiert wurden. So war ich dabei, als man die Männer auf der Wiese zwischen den beiden Dörfern (Filipowa und Hodschag) zusammentrieb. Ich war nicht bei den bewaffneten Bewachern, sondern bei denen, die die Stricke zusammenhalten mussten, damit keiner davonlaufen konnte.“ Er wurde noch ernster und sagte weiter: „Was ich euch beiden jetzt sage, das kann ich in meinem Leben nie vergessen. Die meisten der Männer haben gebetet und das Kreuz gemacht, bevor sie erschossen worden sind. Und wenn ein Vater und Sohn dabei waren, dann hat der Vater dem Sohn noch ein Kreuz auf die Stirn gemacht, ehe sie erschossen worden sind.“ Der Augenzeuge, der das berichtete, war aus Pivnica.
Georg König (alias Burger Jergl) aus Filipowa berichtet, wie ihm ein Slowake aus Selentscha erzählte, sein Vater (der Vater des Slowaken) habe noch in der Nacht auf der Heuwiese mit dem Wagen vorfahren müssen, um die Kleider aufzuladen. Nach der Version des Slowaken habe man die Männer, die man vom Rothsallasch in großen Gruppen zu den Flaklöchern trieb, mit einem Strick umschlungen gehabt. Vor den Gruben mussten sie sich nackt ausziehen, um dann erschlagen oder erschossen zu werden. Der Mann kam nie wieder von dieser Szene los, er musste sie, wie seine Kinder zu berichten wussten, immer wieder erzählen.
Neben den beiden Massengräbern findet sich ein kleines Grab, in dem nachweislich sechs Personen begraben liegen, wie zufällig von ihrer Arbeit heimkehrende Hodschager Lagerleute nach einem längeren Herbstregen betroffen feststellen mussten. Der Regen hatte eine der Leichen teilweise freigewaschen. Halterbuben, die ebenfalls im Lager waren, konnten die Zahl sechs bestätigen, und Paul Mesli vergewisserte sich selbst an Ort und Stelle von der Richtigkeit der Angaben. Damit dürfte feststehen, dass ein Rest von sechs Mann zunächst am Leben gelassen wurde, damit man jemanden hatte, der die Leichen des zweiten Massengrabes mit Erde bedeckte. Einer von den sechs bedauernswerten gezwungenen Totengräbern war mit großer Wahrscheinlichkeit der lungenkranke Stefan Haas. Der schon genannte Knecht von Gregor Eichinger berichtete, dass als letzter dieser Nacht der Schrecken einer der Söhne eben von Gregor Eichinger nach seinem erzwungenen „Werk der Barmherzigkeit“ erschossen worden sei.
Tote begraben galt in der christlichen Tradition stets als „Werk der Barmherzigkeit“ – grausame Ironie für die letzten sechs .. .
Pater Friedrich Gillich, der bekanntlich durch glückliche Umstände am 25. November den Kirchhof wieder verlassen durfte, übte noch längere Zeit seinen seelsorglichen Dienst in Sombor aus. Er berichtet, dass in den folgenden Monaten und Jahren immer wieder einmal Bunjewatzen zu ihm gekommen seien, Aussprache suchend, um von den schrecklichen Bildern jener Nacht irgendwie frei zu werden. Das Schreien, das Beten, das erst aufhörte, als der Letzte tot war, verdichtete sich für sie zu einer endlosen Kette von Alpträumen. „Wir kommen von dieser Nacht nicht los, obwohl wir unschuldig sind.“
Paul Pfuhl schreibt: „Pfarrer Wagner (Paul Wagner ist Pfarrer in Haid bei Linz, Anm. d. Verf.) war bis 1947 Kaplan in Stanischitsch. Er wurde eines Tages in Stanischitsch mit einem dortigen Serben bekannt, der bei der Liquidierung der Filipowaer Männer dabei war. Pfarrer Wagner versuchte, Näheres von ihm herauszubekommen, doch ging er darauf nicht ein, sondern bemerkte nur: ‚Strašno je bilo!‘ (Es war schrecklich!)“ (Dok. V, 270).
„Der Knecht auf dem Salasch, Michael Sücs aus Gombosch, der dieses traurige Ende unserer Männer in jener Nacht gehört hatte, bekam noch nach Jahren immer wieder beim Gedanken an dieses Ereignis neurotische Anfälle“ (HB 11/1968, 50).
Bei dem Massaker auf der Hodschager Heuwiese in der Nähe des Rothsalasch sind allein 35 Jugendliche im Alter von 16 bis 19 Jahren, unter ihnen drei Priesterstudenten, und 52 Männer im Alter von 50-60 Jahren ums Leben gekommen. Die restlichen 125 standen im Alter zwischen 20 und 50 Jahren. Unter ihnen befanden sich auch ein Theologiestudent und eine Reihe von Familienvätern mit zehn und mehr Kindern. Von keinem einzigen der 212 Männer und Burschen kann gesagt werden, dass er sich auch nur in der geringsten Weise etwas gegen den jugoslawischen Staat oder einen seiner Bürger hätte zuschulden kommen lassen.